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Medienrevolution und Propaganda im Ersten Weltkrieg

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Medienrevolution und Propaganda im Ersten Weltkrieg

Wochenschauen, die älteste Form von Nachrichten in bewegten Bildern, etablieren sich während des Ersten Weltkrieges als einflussreiches Informations- und Propagandamedium. Anhand der Beispiele Frankreichs, Grossbritanniens, des Deutschen Kaiserreiches und der USA beleuchtet der Artikel die Entwicklung des Nachrichtenformats während der Kriegsjahre sowie das durch dieses vermittelte Bild vom Grossen Krieg. Eine Linkliste verweist auf online verfügbare Wochenschauen zum Thema.

Von Fridolin Furger, Dezember 2018

20. Juli 1916. Französische Truppen lancieren um 7.30 Uhr von Herleville aus einen Angriff auf deutsche Stellungen bei Vermandovillers und am Bois Étoilé. Mit dabei sind zwei Kameramänner, im Einsatz für Frankreichs Wochenschauen. Ihre Aufnahmen, in L’offensive française sur la Somme zusammengefasst, zeigen französische Soldaten, die aus Schützengräben steigen und zu Hunderten ins Niemandsland auf den Feind zu stürmen. Weitere Szenen dokumentieren die Gegenwehr der deutschen Artillerie, etwas später sind Soldaten zu sehen, die sich den Franzosen ergeben. Die Aktion ist Teil der seit drei Wochen tobenden Schlacht an der Somme. Angaben zu Gefangenen und erbeuteten Waffen in den Zwischentiteln betonen den Erfolg des Angriffs. Dabei zeichnet sich zu diesem Zeitpunkt längst ab, dass die britisch-französische Grossoffensive in einem Debakel enden wird.

L’offensive française sur la Somme (Screenshot), Ecpad.

September 1914. An der Marne, nur 60 km vor Paris, setzen Franzosen und Briten mit einer Gegen-offensive dem Vormarsch der deutschen Armee durch Frankreich ein Ende. Von der Marne-Schlacht, die den Beginn des Stellungskrieges markiert, bekommt Frankreichs Bevölkerung keine einzige Filmaufnahme zu sehen. Noch haben Kamerateams und Fotografen keinen Zugang zu den Truppen, schon gar nicht zu den Kampfzonen. Filmberichte über den Krieg, befürchten Militärs und Regierung, würden der feindlichen Spionage zuarbeiten, die Moral und den Kampfwillen der Nation schwächen. Dieselben Gründe veranlassen auch Grossbritannien, das Deutsche Reich und weitere kriegführende Länder, Kameramänner der Wochenschaufirmen von der Armee fernzuhalten.

Kino-Operateure an die Schlachtfronten!

Gegen die Abschottung der Militärs begehren Wochenschauproduzenten allerorts auf. «Mehr Kino-Operateure an die Schlachtfronten!», lautet die Forderung in einem deutschen Branchenblatt. Das Kinopublikum will sich nicht mit Berichten über die Mobilisierung oder mit Aufnahmen von militärischen Übungen begnügen. Gefragt sind «wahre» Bilder vom Krieg. Gleichzeitig wächst bei einem Teil der Führungseliten die Einsicht, dass sich das Medium Film hervorragend eignet, die Massen mit Propaganda zu erreichen. Vereinzelt wird zudem die Forderung erhoben, der Krieg sei für die Nachwelt zu dokumentieren. Nach und nach erhalten Kameramänner und Fotografen begrenzt Zugang zu den Truppen, je nach Land in unterschiedlichem Mass. Schliesslich beginnen viele Armeen, eigene Foto- und Filmeinheiten aufzubauen und amtliche Kriegswochenschauen sowie dokumentarische Filme zu produzieren.

Filmwochenschauen wurden erstmals 1908 in Frankreichs Kinos eingeführt und sind bei Kriegsbeginn in vielen europäischen Ländern und in den USA verbreitet. Tonlos und der Unterhaltung verpflichtet, geniessen sie als Nachrichtenformat noch wenig Respekt. Technisch verfügen sie nur über bescheidene Mittel. Dennoch, und trotz widrigster Umstände, sorgen Wochenschauen im Verlauf des Krieges für eine veritable Medienrevolution. Sie etablieren sich endgültig als Nachrichtenmedium und beschleunigen erheblich den Aufbruch ins visuelle 20. Jahrhundert. Erstmals wird ein grosser Konflikt breit im Film dokumentiert. Millionen Menschen verfolgen das Geschehen in Filmtheatern oder in anderen Lokalitäten. Das neue Nachrichtenformat vermittelt zwar keine kohärente Darstellung des Kriegsverlaufs. Das leistet nach wie vor die Presse. Was die Menschen am Medium fasziniert, ist die Unmittelbarkeit, die das Bewegtbild zu den Truppen und den Angehörigen an der Front herstellt.

Frankreichs Kinopublikum darf sich 1914 an vier Wochenschauen erfreuen: Pathé-Journal, Gaumont-Actualités, Éclair-Journal sowie Éclipse-Journal. Angesichts des Unmuts der Filmbranche über die Einschränkung ihrer Berichterstattung errichtet die Armee im Februar 1915 die Section Cinémato-graphique des Armées (SCA) sowie eine Einheit für Fotografie (SPA). Vier Operateure, vorerst einer von jeder der führenden Firmen, später erheblich mehr, werden im Turnus den Frontsektoren zugeteilt. Die Aufnahmen stehen allen Beteiligten zur Verfügung. Der Zugang zu den Kampfzonen wird allerdings sehr restriktiv gehandhabt. Im Januar 1917 legt die Armee beide Einheiten zur Section Photographique et Cinématographique des Armées (SPCA) zusammen. Fortan allein befugt, die Truppen zu begleiten, produziert die SPCA mit Les Annales de la Guerre in eigener Regie eine Wochenschau. Diese berichtet wöchentlich ausschliesslich über den Krieg und wird obligatorisch in allen Kinos gezeigt.

In Grossbritannien dominieren Pathé, Gaumont und die einheimische Topical Budget Company den Wochenschaumarkt. Zu Beginn können diese das britische Expeditionskorps (BEF) in Belgien und Frankreich begleiten. Anfang 1915 wird ihnen der Zugang zum Kontinent versperrt. Ab Ende November darf ein Konsortium von Filmproduzenten mit der Zustimmung des Kriegsministeriums an der Westfront filmen. Dieses sorgt insbesondere mit The Battle of the Somme für Aufsehen. Die Dokumentation kommt im August 1916 in die Filmtheater und wird vom Publikum mit grossem Interesse aufgenommen.

Dadurch ermutigt, überträgt die Regierung die Drehberechtigung dem im Kriegsministerium neu gebildeten War Office Cinematograph Committee (WOCC). Dieses produziert weiterhin Dokumentarfilme, gibt aber keine Aufnahmen für Wochenschauen ab. In einem weiteren Schritt schafft das WOCC durch eine Vereinbarung mit der Topical Budget Company, schliesslich mit deren Übernahme, die Grundlage für eine amtliche Kriegswochenschau. Diese erscheint ab Mai 1917 unter dem Titel War Office Official Topical. Im Februar 1918 wird sie in Pictorial News (Official) umbenannt.

Das Deutschen Kaiserrereich verbietet nach Kriegsbeginn die Einfuhr von Filmen aus feindlichen Ländern und konfisziert zum Teil ausländische Produktionsanlagen. Vom Vakuum, das durch den Fortfall der wichtigsten, von Frankreich dominierten Wochenschauen entsteht, wollen aufstrebende inländische Firmen profitieren. Im Oktober 1914 vergibt das Kriegsministerium Lizenzen an rein deutsche, patriotisch gesinnte Unternehmen. Zu diesen zählen vorab Messter-Film und Eiko-Film. Als einzige Firmen werden sie bis zum Kriegsende Wochenschauen produzieren. Ihr Spielraum bleibt allerdings äusserst limitiert, an die Front lässt man die Kameraleute nicht vor.

Werbeplakat der Firma Pathé für ihre Wochenschau Pathé-Journal, 1914: „PATHÉ-JOURNAL zeigt die offiziellen Bilder des Krieges und Aktualitäten aus aller Welt“.
Quelle: Bibliothèque Nationale de France.

Angesichts der wachsenden Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung sieht sich die Armeeführung Mitte 1916 dazu veranlasst, verstärkt den Film für Propaganda und zur Hebung der Stimmung in der Bevölkerung zu nutzen. Nach französischem Vorbild baut man mit der Militärischen Foto- und Filmstelle eine zentral organisierte Abteilung auf. Im Januar 1917 wird diese durch das Bild- und Filmamt (Bufa) abgelöst, das über 7 (8 gemäss anderen Quellen) Filmtrupps verfügen wird. Dessen Produktion umfasst Spiel- und Dokumentarfilme, darunter Bei unseren Helden an der Somme, als Antwort auf den britischen Somme-Film. Wochenschauen gibt das Bufa nicht heraus, stellt dazu aber Privatfirmen Aufnahmen zur Verfügung.

Zensur und Patriotismus

Was bekommt das Kinopublikum vom Erste Weltkrieg zu sehen? In allen kriegführenden Ländern werden die Medien einer strikten militärischen Kontrolle unterstellt. Die Wochenschauproduzenten trifft dies besonders hart, sind sie doch auf den Zugang zu den Kriegsschauplätzen angewiesen. Vorgaben der Behörden verpflichten sie, sensible Bereiche nicht zu zeigen. Die Operateure, meist Armeeangehörige, oft mit Erfahrung aus der Filmbranche, sind in die Truppen eingebettet. Auf die Leinwand gelangt nur, was nach mehrstufiger Zensur freigegeben wird. Alles Übrige kommt in die Archive oder wird vernichtet. Eine kritische Sicht würden die Filmproduzenten allerdings auch ohne Zensur kaum einnehmen.

Wochenschauen beschwören die Schlagkraft der eigenen Armee, die Bereitschaft der Truppen und den geschlossenen Rückhalt der Kriegsanstrengungen bei der Bevölkerung. Die Botschaften kommen in einem Mix typischer Sujets zum Ausdruck, oft patriotisch und nationalistisch aufgeladen. Immer wieder sind endlose Truppenkolonnen zu sehen. Es werden Waffentypen vorgestellt und Kriegsgefangene präsentiert. Kamerateams sind bei Paraden und der Verleihung von Orden mit dabei, filmen hohe Politiker, Militärs und gekrönte Häupter auf Truppenbesuch. Briten und Franzosen zeigen wie etwa in Les Spahis algériens en Belgique verschiedentlich Einheiten aus den Kolonien.

Eindrücke von der Heimatfront untermauern die Opferbereitschaft des Landes. Im Fokus stehen oft Frauen, die in vielen Bereichen den Platz der Männer einnehmen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Rüstungsindustrie, eindrücklich inszeniert im Dokumentarfilm La Main d’oeuvre féminine dans les usines de guerre. Wochenschauen widmen sich zudem unterschiedlichsten Aspekten des Kriegsalltags. Im Mai 1915 berichtet Topical Budget 194-2 von einer antideutschen Kundgebung und von Angriffen auf deutsche Geschäfte in London. Pictorial News (Official) 345-2 zeigt im April 1918 eine Flotte von Kino-Fahrzeugen, mit der die Regierung die Bevölkerung in den Dörfern mit der «Wahrheit» über den Krieg versorgt.

Die Berichterstattung beschränkt sich weitgehend auf die Inlandperspektive: auf die Heimatfront und Kriegsschauplätze, an denen eigene Truppen kämpfen. Verbündete Länder tauschen Aufnahmen untereinander aus. Angesichts des über Jahre festgefahrenen Stellungskrieges an der Westfront finden Eindrücke von fernen Schauplätzen grossen Anklang beim Kinopublikum. Wo immer Truppen zum Einsatz kommen, folgen ihnen Kameramänner. Eine Messter-Woche von 1915 berichtet vom Einsatz der Deutschen in der Türkei. Les Annales de la guerre No. 37 dokumentiert die Verlegung französischer Truppen nach Italien, wo sie dem Verbündeten gegen Österreich-Ungarn zu Hilfe eilen. Eine weitere Ausgabe der französischen Kriegswochenschau von 1917, Les Annales de la guerre No. 27, bringt Aufnahmen von der Entente-Offensive in Mazedonien, wo Franzosen mit Serben und Griechen gegen Bulgarien kämpfen. Die Briten drehen ausgiebig im Nahen Osten. Vereinzelt gelingt es auch «unabhängigen» amerikanischen und europäischen Reportern, über Truppen im Einsatz zu berichten. So begleitet etwa 1916 ein Team von Pathé längere Zeit russische Einheiten, dokumentiert in With the Russian Army.

Von der Front zu berichten, das bedeutet für die Kameramänner in der Regel, den Alltag der Soldaten in rückwärtigen Positionen zu dokumentieren. Selten gelangen sie bis zu den vordersten Linien. Im Fokus stehen das Herbeischaffen von Nachschub, das Einrichten von Stellungen und Szenen, die Soldaten in Schützengräben zeigen. Besonders attraktiv wirken Aufnahmen von Artilleriegeschützen, kombiniert mit Kameraschwenks zu den Granateinschlägen am Horizont. Kaum zu Gesicht bekommt die Öffentlichkeit die unsägliche Plackerei im Morast der Schlachtfelder. Für die verharmlosende Berichterstattung weit genehmer sind Aufnahmen von Soldaten in ihrer Freizeit, bei der Verpflegung oder beim Briefschreiben.

Unsichtbares Grauen

Kampfhandlungen im engeren Sinn und das Grauen der Grabenkämpfe bleiben unsichtbar. Den Anblick von schwer verletzten oder verstümmelten Soldaten will man der Öffentlichkeit nicht zumuten. Werden Verwundete gezeigt, sind sie in der Regel bereits verarztet oder sie erhalten Hilfe. Berichte über die Sanität demonstrieren, wie gut für die Verletzten, selbst für die des Feindes, gesorgt wird. Beispielhaft steht dafür der Bufa-Film Im Lazarett Assfeld in Sedan. Der Tod in den eigenen Reihen wird diskret etwa durch Gräber thematisiert. Leichen von gegnerischen Soldaten sind hingegen zumindest sporadisch zu sehen, etwa in Les Annales de la guerre No. 66. Diese Zurückhaltung ist nicht nur Ausdruck des Respekts gegenüber den Angehörigen. Auch in den Zwischentiteln werden nie Angaben zu Gefallenen gemacht, so wie man auch Rückschläge systematisch verschweigt. Dies trifft selbst für die erwähnten Somme-Filme zu. Dabei wurden allein am ersten Tag der Somme-Schlacht über 20’000 britische Soldaten getötet.

Das Fehlen von Kampfszenen ist letztlich weniger der Zensur als der Technik zuzuschreiben. Die grossen, schweren Kameras werden per Kurbel bedient und erfordern die Abstützung auf ein Dreibein. Damit den vorrückenden Soldaten zu folgen, ist für die Operateure schlicht unmöglich. Häufig lassen die Lichtverhältnisse Filmaufnahmen erst gar nicht zu. Wer an der Front dreht, geht ein hohes Risiko ein. Allein auf französischer Seite werden mehrere Operateure getötet oder verletzt. Nicht zuletzt bringen sie die eigenen Truppen in Gefahr und sind daher an der Front oft unerwünscht. Die Schwierigkeit, Kampfszenen auch nur in Ansätzen einzufangen, verdeutlicht The Battle of the Somme. Die berühmte Szene, in der Soldaten aus Schützengräben in den Angriff stürmen (Beginn Teil III), ist nachgestellt. Vor allem zu Beginn des Krieges greifen auch Wochenschauen öfters zu Manipulationen. Sie zeigen gestellte Szenen oder weisen Aufnahmen von Übungen als aktuelle Reportagen aus.

Amerikanische Signal Cops Filmeinheit an einem Beobachtungs-posten am Cigarette Butte in der Nähe des Mont des Allieux. Screenshot aus Mobilizing Movies! The U.S. Signal Corps Goes to War, 1917-1919).
© National Archives (III-SC-25898).

Trotz aller Beschönigung lässt sich das Grauen des Krieges in vielen Berichten durchaus erahnen. Nach beendeter Schlacht bieten sich den Kameramännern Szenen der Verwüstung, zu Ruinen zerbombte Dörfer und Städte, apokalyptisch anmutende Landschafen. Wie in L’Avance française de Soissons à Reims fängt die Kamera solche Ansichten in langen Panoramaschwenks ein. Franzosen und Briten nutzen die vom Feinde angerichteten Zerstörungen, um die Deutschen, verächtlich «Boches» und «Hunnen» genannt, der Grausamkeit und Barbarei zu bezichtigen. Dabei setzt man auf symbolträchtige Objekte wie Kathedralen und Kirchen, prägnant umgesetzt in Les Annales de la guerre n°5. Die Deutschen kontern die Anschuldigungen mit Szenen, die ihr humanes Verhalten belegen. Sie werfen den Franzosen ihrerseits brutale Rücksichtslosigkeit vor, selbst gegenüber der eigenen Bevölkerung. Zum Ausdruck bringt dies sarkastisch der 1917 erstellte Dokumentarfilm Wie Frankreich das Elsass befreit.

Wochenschauen, Dokumentar- und Spielfilme werden gezielt auch im Ausland verbreitet und vermarktet, um neutrale und befreundete Staaten für die eigene Seite einzunehmen. Um die Gunst der USA liefern sich die Entente und das Reich einen intensiven Propagandakrieg, den die Deutschen schliesslich verlieren. Mit dem Ziel, die Regierung von Präsident Wilson zur Aufgabe ihrer Neutralität zu bewegen, stellen Briten und Franzosen die deutsche Armee insbesondere für die beim Überfall auf das neutrale Belgien begangenen Gräueltaten an den Pranger. Um die eigene Sicht des Krieges zu propagieren, erlaubt die deutsche Militärführung ausgewählten amerikanischen Filmreportern, im Reich zu filmen und deutschen Truppen an die Ostfront zu folgen. Um in den USA eine für die Bevölkerung überzeugende Filmpropaganda zu betreiben, fehlen den Deutschen allerdings oft das Gespür und die dazu notwendige Professionalität.

US-Filmreporter auf Europas Schlachtfeldern

Nach dem Kriegseintritt der USA, dem der Kongress am 6. April 1917 zustimmt, beginnt auch die U.S. Army mit dem Aufbau einer Foto- und Filmeinheit. Im Vordergrund steht vorerst die Absicht, den Einsatz der American Expeditionary Forces (AEF) in Europa zu dokumentieren. Die Aufgabe übernimmt das bis anhin für Aufklärung zuständige U.S. Army Signal Corps. Dieses kommt zu Beginn schlecht gerüstet nach Europa, kann schliesslich aber mit einer imposanten Besetzung arbeiten, die bei Kriegsende über 500 Offiziere und Soldaten umfasst. Jede Division und weitere Einheiten erhalten ein Team zugeteilt. In kurzer Zeit entsteht eine riesige Menge an Filmaufnahmen. Im Fokus stehen die Vorbereitungen in den USA, die Ankunft der Truppen in Frankreich sowie die Fronteinsätze. Dass auch Amerikas Filmoperateure selten mit spektakulären Frontaufnahmen aufwarten können, zeigen Dokumentationen zu zwei der bedeutendsten Angriffe der US-Truppen gegen die zurückweichenden deutschen Armeen, The St. Mihiel Offensive, und die Meuse-Argonne Offensive. Einen spannenden Einblick in die Arbeit des Signals Corps gibt der 2017 von Graham C. Cooper and Ron van Dopperen erstellte Dokumentarfilm Mobilizing Movies! The U.S. Signal Corps Goes to War, 1917-1919.

Nur Tage nach dem Kriegseintritt ruft Präsident Wilson das Committee on Public Information (CPI) ins Leben. Dieses führt in der Folge eine für die USA beispiellose Propagandakampagne, um die Bevölkerung hinter den Kriegsanstrengungen zu einen. Das CPI amtet gleichzeitig als Zensor. Der Regierung geht es darum, das Ausmass der Intervention geheim zu halten, und sie will verhindern, dass die Rekrutierung von Soldaten beeinträchtigt wird. Dem CPI untersteht auch die Verwendung der vom Signal Corps gelieferten Filmaufnahmen. Um diese wirkungsvoll für die Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen, wird im September 1917 die Division of Films gegründet. Vorerst erfolgen Distribution und Zuteilung von Aufnahmen an Wochenschauen über das Rote Kreuz. Da sich dies als wenig erfolgreich erweist, nimmt die Filmabteilung die Produktion und Distribution von Filmen selber in die Hand. Um eine möglichst grosse Verbreitung zu erlangen, nutzt sie kommerzielle Vertriebskanäle. Das CPI erstellt propagandistisch inszenierte Filme und produziert mit der von Pathé vertriebenen Official War Review eine Kriegswochenschau. Diese erscheint ab 1. Juli 1918 in insgesamt 31 Ausgaben. Eine Vorstelltung  von der nur vereinzelt auffindbaren Wochenschau vermittelt eine vom National Archives erstellte Kompilation mit 6 Ausgaben. Diese wurde 2015 anlässlich des jährlich von der Cineteca del Friuli organisierten Stummfilmfestivals Le Giornate del Cinema Muto gezeigt: Official War Review (USA 1918 /1919).

Trotz aller Propagandafunktion überliefern Wochenschauen ein vielschichtiges Bild des Ersten Weltkrieges und bleiben Zeitzeugnisse von unschätzbarem Wert. Sie bilden die Grundlage unzähliger Dokumentar- und Spielfilme und prägen bis heute die Erinnerung an den Grossen Krieg. Die Nutzung der Filmdokumente war lange Zeit allerdings ein hindernisreiches Unterfangen. Mittlerweile sind viele Filmbeständen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs umfassend oder teilweise digitalisiert und über das Web abrufbar. Eine Auswahl von frei zugänglichen Sammlungen zum Thema, mit Links zu den Archiven und Anmerkungen, wird im Anhang dieses Artikels aufgeführt.

Verwendete Quellen / Bibliografie

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Zimmermann, Peter (Hrsg.): Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Band 1, Kaiserreich, 1895-1918, hrsg. von Uli Jung [et al.], Philipp Reclam jun., Stuttgart 2005.

 

APPENDIX / ANHANG

Sammlungen mit Wochenschauen zum Ersten Weltkrieg (Auswahl):

EUROPEAN FILM GATEWAY (EFG) / EUROPEANA:
Anlässlich des 100. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkrieges hat das European Film Gateway im Rahmen des Projekts EFG1914 eine breite Auswahl mit Wochenschauen sowie Dokumentar- und Spielfilme zum Thema zusammengestellt. Zu dieser Dokumentation haben rund 30 Archive und Museen aus 19 europäischen Ländern beigetragen. Die Filmdokumente sind zum Teil auf die Websites der Anbieter verlinkt, zum Teil direkt auf der EFG-Website abrufbar.

EUROPEANA:
Die für das Projekt EFG1914 für das European Film Gateway ausgewählten Filmdokumente sind auch auf dem Europaportal Europeana als Teil der Dokumentation Europeana 1914-1918 abrufbar. Neben Filmdokumenten umfasst die thematische Sammlung weiter Medientypen wie Briefe, Postkarten und Fotografien.

IMPERIAL WAR MUSEUMS (IWM):
Die in Grossbritannien während des Ersten Weltkriegs unter Aufsicht des Kriegsministeriums erstellten Wochenschauen und Dokumentarfilme sind zu einem grossen Teil erhalten und werden im 1917 gegründeten Imperial War Museums (IWM) aufbewahrt. Eine breite Auswahl der Wochenschauen Topical Budget, War Official Topical Budget und Pictorial News (Official) sind online abrufbar. Das IWM besitzt auch ausländische Wochenschauen zum Grossen Krieg, darunter fast vollständig die französische Kriegswochenschau Les Annales de la Guerre.

[Anfang 2018 schaltete das IWM eine neue Website auf und begann damit, Filme in einem zeitgemässen Format (MP4) anzubieten. Bis zum Ende der Umstellung ist ein Teil der Filme nicht abrufbar].

BRITISH PATHÉ:
Unter dem Titel The Complete WW1 Collection hat British Pathé eine breite Sammlung mit Aufnahmen vom Ersten Weltkrieg zusammengestellt und nach Themen sowie geografischen Kriterien angeordnet. Dabei handelt es sich um Archivaufnahmen, die meist nur rudimentär dokumentiert sind. Es ist nicht ersichtlich, welche Aufnahmen wie und wo während des Krieges veröffentlicht und allenfalls auch für Wochenschauen genutzt wurden.

BUNDESARCHIV:
Von den während des Ersten Weltkrieges produzierten deutschen Wochenschauen ist nur ein Teil erhalten. Die noch vorhandenen Ausgaben der Messter-Woche und Eiko-Woche werden im Bundesarchiv aufbewahrt. Im Rahmen des Projekts EFG1914 wurde rund ein Dutzend Ausgaben digitalisiert. Diese sowie die für EFG1914 aufbereiteten, vom Bild- und Filmamt (Bufa) produzierten dokumentarischen Filme, sind auch direkt über das Filmportal des Bundesarchivs zugänglich.

CNC Patrimoine – Centre national du cinéma et de l’image animée:
CNC Patrimoine bietet einen zentralen Zugang zu Frankreichs Beiträgen zum Projekt EFG1914: Filme der Archives françaises du film du CNC sowie der Bildagentur der französischen Armee ECPAD und des Archives des Musée Albert-Kahn. Unter den rund 140 Titel der drei Sammlungen befinden sich einige Ausgaben der Kriegswochenschau Les Annales de la Guerre sowie dokumentarische Filme.

ECPAD/Agence d’images de l’armée :
Die Bildagentur des ECPAD dokumentiert den Ersten Weltkrieg anhand von dokumentarischen Filmen sowie mit rund 20 Ausgaben der Kriegswochenschau Les Annales de la Guerre. Das ECPAD (Etablissement de Communication et de Production Audiovisuelle de la Défense) ist die offizielle audiovisuelle Kommunikations- und Produktionsstelle der französischen Armee.

NATIONAL ARCHIVES / NARA: https://catalog.archives.gov/advancedsearch
Die vom U.S. Signal Corps während des Ersten Weltkrieges gemachten Filmaufnahmen werden im Nationalarchiv der USA, der National Archives and Records Administration, aufbewahrt. Die Filme sind verknüpft mit Originaldokumenten aufgeschaltet, die Informationen über Inhalt und Entstehung der Aufnahmen enthalten. Die abrufbaren Dokumente bestehen vorwiegend aus nach dem Krieg zusammengestellten Dokumentationen. Aus den Dokumenten ist nicht ersichtlich, welche Aufnahmen in welcher Form während des Krieges in den USA oder anderswo veröffentlicht wurden.

Ausgaben der amtlichen Kriegswochenschau Official War Review, die von Pathé für das CPI vertrieben wurde, sind nicht online abrufbar. Die Kriegswochenschau ist nur vereinzelt erhalten und schwer auffindbar. Eine vom Nationalarichiv erstellte Kompilation mit 6 Ausgaben wurde 2015 am Stummfilmfestivals Le Giornate del Cinema Muto gezeigt und ist online zugänglich: Official War Review (USA 1918 /1919).

Das Natonalarchiv besitzt den grössten Bestand der USA mit Archivaufnahmen und Filmen aus dem Ersten Weltkrieg. Die Filmdokumente werden hauptsächlich in vier Sammlungen aufbewahrt: U.S. Army Signal Corps Historical Collection, CBS World War I Collection, Ford Film Collection sowie Durborough War Pictures, mit Originalfilmaufnahmen des amerikanischen Pressefotografen Wilbur H. Durborough.

NATIONAL ARCHIVES – YouTube Kanal: https://www.youtube.com/user/usnationalarchives/playlists
Im Rahme eines Projekts des National Archives (2014-2018) wurde der gesamte Bestand der U.S. Army Signal Corps Historical Collection zum Teil restauriert und neu in hoher Auflösung digitalisiert. Eine breite Auswahl der Filme ist nun auf dem YouTube Kanal des National Archives zugänglich. Dies erleichtert den Zugang zu den Filmdokumenten erheblich und macht sie auch für die breite Bevölkerung zugänglich.

LIBRARY OF CONGRESS / On the Firing Line With the Germans:  https://blogs.loc.gov/now-see-hear/2016/11/on-the-firing-line-with-the-germans-1915/
Dokumentarischer Film des amerikanischen Pressefotografen Wilbur H. Durborough und seines Kameramanns Irving Ries. Sie verbrachten 1915 mit Erlaubnis der Behörden sieben Monate im Reich. Das Team konnte in Berlin filmen und die deutsche Offensive an der Ostfront, in Polen und Russland dokumentierten. Zu diesem Zeitpunkt waren die deutschen Machthaber bestrebt, ihre Seite des Krieges in den USA bekanntzumachen. Der Film wurde 1915 und 1916 erfolgreich in zahlreichen Kinos der USA gezeigt. Es handelt es sich hier nicht um Wochenschauaufnahmen. Der Film ist als Hintergrund zur Thematik dieses Artikels aufschlussreich.

On the Firing Line With the Germans wurde vor kurzem von der Library of Congress in Zusammenarbeit mit dem National Archives restauriert. Dazu dienten die Originalaufnahmen aus dem Archiv der Durborough War Pictures, die lange als verloren galten.

 

Die im Artikel verlinkten Wochenschauen (aufgeführt nach ihrer Abfolge im Text):

L’offensive française sur la Somme

The Battle of the Somme

Bei unseren Helden an der Somme

Les Spahis algériens en Belgique

La Main d’oeuvre féminine dans les usines de guerre

Topical Budget 194-2

Pictorial News (Official) 345-2

Messter-Woche, 1915

Les Annales de la guerre No. 37

Les Annales de la guerre No. 27

With the Russian Army

Im Lazarett Aßfeld in Sedan 1917

Les Annales de la guerre No. 66

L’Avance française des Soissons à Reims

Les Annales de la guerre n°5

Wie Frankreich das Elsass befreit 1917

The St. Mihiel Offensive, Sept. 10 to November 25: (National Archives YouTube Channel)

The St. Mihiel Offensive, Sept. 10 to November 25: (National Archives Website)

Meuse-Argonne Offensive, September 26 to November 11, 1918 (National Archives YouTube Channel)

Meuse-Argonne Offensive, September 26 to November 11, 1918 (National Archives Website)

Mobilizing Movies! The U.S. Signal Corps Goes to War, 1917-1919

Official War Review (USA 1918/1919)

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